Aufruftext! Kommt alle!

Einleitende Worte zum ABC-Solidarity-Festival 2019
(english version please scroll down)

Das ABC-Festival wird dieses Jahr zum 7. Mal in Folge stattfinden. Und auch dieses Mal haben wir ein umfangreiches Programm zusammengestellt. Wie viele bereits wissen, organisieren wir das Festival aus unterschiedlichen Gründen. Einen großen Teil macht das Sammeln von Kohle aus. Dieses fließt in die finanzielle Unterstützung von Gefährt*innen, die im Knast sind oder denen der Prozess gemacht wird, und Anwaltskosten zu tragen haben. Wir verwenden das Geld weiters, um befreundete Projekte zu unterstützen, deren Kampf sich ebenfalls gegen Repression, Knast, Kontrolle, Disziplinierung und Autorität richtet. Genauso benötigen wir Kohle für Druckkosten, Bücher und andere Materialien zur Agitation und der Vermittlung anarchistischer Ideen, Erfahrungen, Kämpfen und Analysen.

Wir machen das Festival auch, um uns allen eine Möglichkeit zu bieten, uns zu treffen, kennen zu lernen, zu diskutieren und vielleicht die eine oder andere Idee gemeinsam zu entwickeln. Wir wollen die Idee(n) des Anarchismus, der Solidarität und der Gefangenenunterstützung sowie des Kampfes gegen das Gefängnis, die Kontrolle und die Autorität stärken. Aus diesem Grund wird es wieder eine Reihe von Veranstaltungen geben, die von unterschiedlichen Individuen und Gruppen gehalten werden, und hoffentlich zu spannenden und bereichernden Diskussionen führen. Wir betrachten dies als Möglichkeit zum Austausch und der Vertiefung von Kenntnis und Unterstützung zwischen den Kämpfenden unterschiedlicher Territorien und Zusammenhänge. Deshalb freuen wir uns auch über eine breite Beteiligung an den Diskussionen. Außerdem wird es jeden Tag Info- und Büchertische von verschiedenen Projekten geben.

Der Kampf gegen die Gefängnisse und mit den Gefangenen ist ein fundamentaler Anspruch einer subversiven, anarchistischen Bewegung. Die Auseinandersetzung mit dem Gefängnis und der Repression ist Teil unseres Verständnisses als Anarchist*innen. Sie lässt sich aus unseren anderen Initiativen nicht einfach eliminieren. Nicht nur, weil wir ab einem gewissen Punkt von Aktivität, alle auf die eine oder andere Art und Weise davon betroffen sein können. Sondern weil Knast ein Hindernis für ein freies, unabhängiges Leben ist.

So sind Knast und Repression immer auch fester Bestandteil unseres Kampfes, um die Freiheit gewesen. Wo wir in der Geschichte auch hinblicken, die Gefahr der Reaktion und der Verfolgung ist allgegenwärtig für alle, die auf der Suche nach der Freiheit waren, und sich gegen die Unterdrückung aufgelehnt haben. Bleibt nur die Frage: Wie damit umgehen? Was können also Taktiken sein, um uns zu schützen und zu verteidigen? Um weiterhin diese Ordnung der Autorität und Vereinzelung, der Ausbeutung und des Profits angreifen zu können. Das Anarchistische Schwarze Kreuz/Anarchist Black Cross (ABC) ist ein Netzwerk, das es seit langer Zeit gibt. Sein zentraler Fokus lag immer auf der Unterstützung der Gefangenen. Dieser Fokus reichte vom Verschicken von Paketen und Briefen, über die Organisierung von Fluchtmöglichkeiten und das Sammeln von Geld bis zum Aufbau von Verteidigungsstrukturen und dem direkten Angriff auf die Gefängnisse. Je nachdem, was eine bestimmte Gruppe für erforderlich oder machbar hielt, oder in einer spezifischen Situation für sinnvoll oder primär erachtete. In jedem Fall ging es darum die Mauern zu überwinden, die sie aufgebaut haben, um uns und die Gefangenen voneinander zu isolieren.

Der Knast ist lediglich eine weitere Etappe des anarchistischen Kampfes. Er ist nicht das Ende oder der Anfang von etwas Speziellem, das mit unseren vorherigen Aktivitäten und der Welt, in der wir leben, nichts mehr zu tun hätte. Klarerweise wird das Leben unter anderen Bedingungen fortgesetzt. Aber der Knast ist nicht automatisch ein Ort, an dem alles zu Ende geht. Die Gefangenen drinnen und wir hier draussen müssen auf der gleichen Ebene diskutieren können. Diejenigen drinnen müssen auch in unsere Diskussionen miteinbezogen werden. Denn sie leben nicht in einer andere Welt, sondern sind Teil unserer Kämpfe. Die Strukturen, die wir versuchen aufzubauen, sind dazu da, diese Trennung zwischen drinnen und draussen zumindest ein Stück weit abzubauen. Die Isolation ist ein Ziel des Gefängnisses, aber wir müssen diese Intention nicht akzeptieren. So sehen wir es als eine der wichtigsten Aufgaben der Gefangenenunterstützung, den Kontakt nicht abbrechen zu lassen. Die Kommunikation mit den Gefangenen, die Veröffentlichung ihrer Briefe und ihrer Texte, das Verbreiten von Informationen über ihre Situation, die materielle Unterstützung und alles, was dazugehört, sollten zu unserer fundamentalen Ausrüstung genauso gehören, wie viele andere Fertigkeiten, Wissen und Aktivitäten, die wir als wichtige Bestandteile des anarchistischen Kampfes betrachten.

Der Staat und das globale, kapitalistische Regime greift uns jeden Tag an. Durch unterschiedliche Formen von Zwang, die seit unserer Geburt bestehen. Beginnend mit den Fesseln der Familie und den Institutionen, in denen wir aufwachsen. In den Schulen werden wir zurecht gebogen, um später innerhalb dieser modernen Wirtschaftsdiktatur besser verwertbar zu sein. Der Verwertungsdruck beginnt immer früher und früher. So scheint die Klassengesellschaft wieder kastenartiger zu werden. Später gibt es spezielle Arbeiten, zu denen wir gezwungen werden, aufgrund unseres Ausbildungsgrades, unseres Vorstrafenregisters, unseres Passes, unserer ethnischen Zugehörigkeit, unseres Geschlechts und unseres Charakters. Innerhalb dieser Prozesse wird Abweichung immer noch mit Repression bestraft, auch wenn diese im demokratischen System subtiler ist, so zeigen die Tendenzen, durch die Restrukturierungen des Kapitalismus immer mehr in Richtung von stärkerer Disziplinierung und Bestrafung. Der Knast bleibt die logische Konsequenz für diejenigen, die sich dem Kreislauf von Produktion, Konsum, Effizienz, Normalität, Disziplin und Konformität nicht beugen wollen oder auch nicht können, und zu anderen Mitteln des täglichen Überlebens greifen.

So machen die Verstöße gegen das Verhältnis des Eigentums immer noch den größten Teil der „Verbrechen“ in der heutigen Gesellschaft aus. Daneben eine von bürgerlichen Medien und Staat instrumentalisierte und beliebig propagierte Zahl von Gewalttaten, deren Wurzel in den patriarchalen, zwanghaften, hierarchischen und gewalttätigen Strukturen des Staates, der Gesellschaft und der Ökonomie selbst zu suchen sind.

Aus diesen Gründen können wir das Gefängnis nicht als ein isoliertes Problem betrachten. Denn es gehört zu dieser Gesellschaft und zur staatlichen Autorität dazu. Für diese Umstände gibt es keine Forderungen und Reformen. Es liegt an uns selbst nach Wegen zu suchen, dieser Welt der Isolation, Strafe und Ausbeutung etwas entgegen zu halten.

Wir wollen an dieser Stelle alle anarchistischen Gefangenen grüßen, und außerdem alle Gefangenen die sich hinter Gittern befinden, weil sie versucht haben ihre Freiheit zu verwirklichen, indem sie sich an der Macht gerächt haben, das Diktat des Eigentums missachtet haben oder aufgrund irgendwelcher Kategorien als illegal, anders oder verrückt abqualifiziert werden.

Wir grüßen alle, die an die Freiheit und die Autonomie glauben.
Weg mit den Gefängnissen, nieder mit jeder Form von Zwang und Autorität!
Für freie Vereinbarungen und Solidarität! Bis alle frei sind!

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Introductory words to the ABC Solidarity Festival 2019

The ABC Festival will take place this year for the 7th time in a row. And once again we have put together an extensive programme. As many already know, we organize the festival for different reasons. A large part of the festival is about collecting money. This is used to provide financial support for comrades who are in jail or who are on trial and have to pay lawyer’s fees. We also use the money to support friendly projects whose struggle is also against repression, imprisonment, control, discipline and authority. We need money for printing costs, books and other materials for mobilization and the sharing of anarchistic ideas, experiences, struggles and analyses.

We also do the festival to give us all an opportunity to meet, get to know, discuss and perhaps collaborate with each other on some ideas. We want to strengthen the notion of anarchism, solidarity and prisoner support as well as the struggle against prison, control and authority. For this reason there will again be a series of events held by different individuals and groups, hopefully leading to exciting and enriching discussions. We see this as an opportunity to exchange and deepen knowledge and support between the combatants of different territories and contexts. Therefore we appreciate a broad participation in the discussions. In addition, there will be information and book tables from various projects every day.

The struggle against the prisons and with the prisoners is a fundamental claim of a subversive anarchist movement. The confrontation with prisons and the use of repression is part of our understanding as anarchists. It cannot simply be eliminated from our other initiatives. Not only because at a certain point of activity we can all be affected in one way or another. But because jail is an obstacle to a free, independent life.

So jail and repression have always been an integral part of our struggle for freedom. Wherever we look in history, the danger of reaction and persecution is everywhere for all who have been in search of freedom and who have rebelled against oppression. All that remains is the question: how to deal with it? Which tactics can be used to protect and defend us? To continue to attack this order of authority and isolation, exploitation and profit. The Anarchist Black Cross (ABC) is a network that has existed for a long time. Its central focus has always been on supporting prisoners. This focus ranged from sending parcels and letters, organizing escape routes and collecting money, to building defense structures and directly attacking prisons. Depending on what a particular group considered necessary or feasible, or considered useful or primary in a specific situation. In any case, it was always about overcoming the walls they had built to isolate us from the prisoners.

Jail is just another stage in the anarchist struggle. It is not the end or the beginning of something special that has nothing to do with our previous activities and the world in which we live. Clearly, life continues under different conditions. But jail is not automatically a place where everything ends. The prisoners inside and we on the outside must be able to discuss equally. Those inside must also be included in our discussions. For they do not live in another world, but are part of our struggles. The structures that we try to build up are there to reduce this separation between inside and outside at least a bit. Isolation is a goal of prison, but we do not have to accept this intention. We see it as one of the most important tasks of prisoner support not to let the contact break. Communicating with the prisoners, publishing their letters and texts, disseminating information about their situation, material support and everything that goes with it should be part of our fundamental equipment as well as many other skills, knowledge and activities that we see as important components of the anarchist struggle.

The state and the global capitalist regime attack us every day. Through different forms of coercion that have existed since our birth. Beginning with the chains of the family and the institutions in which we grow up. In the schools we are bent into shape in order to be more usable later within this modern economic dictatorship. The pressure to exploit always begins earlier and earlier. Class society seems to be becoming more caste-like again. Later there are special jobs that we are forced to do because of our level of education, our criminal record, our passport, our ethnicity, our gender and our character. Within these processes, deviation is still punished with repression, even if it is more subtle in the democratic system, so the tendencies show, through the restructuring of capitalism more and more towards stronger discipline and punishment. Jail remains the logical consequence for those who do not or cannot bow to the cycle of production, consumption, efficiency, normality, discipline and conformity, and who resort to other means of daily survival.

Thus, violations of the relationship of property still account for most of the “crimes” in today’s society. In addition, the bourgeois media and state instrumentalize and promote a number of acts of violence whose roots lie in the patriarchal, forceful, hierarchical and violent structures of the state, society and the economy itself.

For these reasons, we cannot see prison as an isolated problem. Because it belongs to this society and to the state authority. For these circumstances there are no demands and reforms. It is up to us to look for ways to oppose this world of isolation, punishment and exploitation.

We want to greet here all anarchist prisoners, and also all prisoners behind bars who have tried to realize their freedom by taking revenge in power, ignoring the dictates of property or being dismissed as illegal, different or crazy because of any category.

We greet all who believe in freedom and autonomy.
Down with prisons, down with every form of oppression and authority!
For free understandings and solidarity! Until everyone is free!

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